Autofokus - Automatisch blitzschnell scharfstellen
Die manuelle Fokussierung, also das Scharfstellen von Hand, war seit den Anfangstagen der Fotografie ein unvermeidbarer und zeitintensiver Arbeitsschritt. Eine Ausnahme bildeten allenfalls Billigkameras mit Fixfokus, die man weder scharfstellen musste noch konnte. Speziell bei der Sport- und Actionfotografie war die manuelle Fokussierung jedoch oft zu langsam, auch war insbesondere bei ungeübten Benutzern der fehlerhaft eingestellte Fokus eine sehr häufige Fehlerquelle. In den 70er Jahren kamen die ersten Autofokussysteme auf den Markt, die sich dann in den 80er Jahren flächendeckend durchsetzen konnten. Man unterscheidet generell zwischen aktiven und passiven Autofokussystemen.
Die obigen beiden Bilder zeigen, welch wichtigen Einfluss die Fokusierung auf das Bildergebnis hat. Eine im Prinzip zwei mal gleiche Aufnahme kann durch eine andere Autofokus-Einstellung zu einem ganz anderen Bild führen. In den folgenden Kapiteln gehen wir auf unterschiedliche Autofokussysteme detailliert ein, erklären deren technische Funktionsweise und deren praktischen Einsatz in Kameras bzw. Objektiven. Wir beginnen mit aktiven Autofokussystemen und kommen dann zu modernen Passiv-Autofokussystemen. In einem weiteren Kapitel betrachten wir moderne Autofokus-Objektive, und wir gehend abschließend darauf ein, wo auch heutzutage noch eine manuelle Fokussierung Sinn macht bzw. zur Anwendung kommt.
Aktiver Autofokus
Aktive Autofokussysteme zeichnen sich dadurch aus, dass die Kamera ein Signal aussendet und damit die Entfernung zum Motiv aktiv misst. Diese Technik hat gegenüber passiven Autofokussystemen jedoch gravierende Nachteile, deswegen konnte sie sich bei hochwertigen SLR-Kameras nicht durchsetzen. Dort wo passive Autofokussysteme an ihre Grenzen kommen, hat sie jedoch auch heute noch ihre Daseinsberechtigung.
Vorteile und Nachteile aktiver Autofokussysteme
Die frühen Autofokussysteme waren alle aktiv, die Kamera hat die Entfernung zum Motiv selbst gemessen. Hierfür setzte man auf Infrarotstrahlen oder Ultraschall. Der Vorteil von aktiven Systemen ist ihre Schnelligkeit. Ob bei guten oder schlechten Lichtverhältnissen, der aktive Autofokus stellt immer gleich schnell scharf. Ob das Motiv Kontraste aufweist oder nicht ist völlig unerheblich, selbst auf eine weiße konturlose Wand - eine schwierige Hürde für passive Autofokussysteme - kann problemlos scharf gestellt werden. Die Reichweite aktiver Autofokussysteme ist allerdings begrenzt.
Für den Weitwinkelbereich von Kompaktkameras reicht es noch, aber bei längeren Brennweiten kommt der aktive Autofokus schnell an seine Grenzen. Teleobjektive mit langer Brennweite müssen auch bei Motivabständen von hundert Metern und mehr sauber fokussiert werden, das klappt dann nicht mehr. Zudem lässt die Fokusgenauigkeit von aktiven Systemen im allgemeinen zu wünschen übrig. Bei hochwertigen langbrennweitigen Festbrennweiten mit großer Blendenöffnung ist das ein K.O.-Kriterum, das gegen aktive Autofokussysteme spricht. Außerdem ist es mit aktiven Autofokussystemen nicht möglich durch Glasscheiben bzw. in Spiegeln korrekt zu fokussieren.
Einfache Schnappschusskameras haben auch heute oft noch einen rein aktiven Autofokus. Bei hochwertigen Kameramodellen ist der aktive Autofokus in Reinform praktisch nicht mehr anzutreffen. In diesen gibt es aber kombinierte/duale Autofokussysteme, beispielsweise von Olympus, wo sowohl mit aktivem als auch mit passivem Autofokus scharfgestellt wird. So erfolgt beispielsweise die grobe Fokussierung bei der Olympus Camedia E-20 per Infrarotstrahl, während die Feineinstellung dann vom passiven Autofokussystem vorgenommen wird.
Entfernungsmessung per Ultraschall
Aktive Autofokussysteme messen die Entfernung zwischen Kamera und Motiv. Eine Möglichkeit die Entfernung aktiv auszumessen ist die akustische Längenmessung per Ultraschall. Bei Kameras kommt die indirekte Messung zum Tragen, Signalgeber und Signalempfänger sitzen hier im gleichen Gerät. Zur Entfernungsmessung sendet die Kamera über einen Ultraschall-Lautsprecher ein unhörbares Tonsignal im Ultraschallbereich aus. Dieses wird vom Fotomotiv reflektiert und kehrt zumindest teilweise wieder zur Kamera zurück. Das eintreffende, reflektierte Signal nimmt dann ein Ultraschall-Mikrofon in der Kamera wieder auf. Aus der Laufzeit des Signals, also der Zeitdifferenz zwischen dem Senden und dem Empfangen des Signals kann die Kamera erkennen, wie groß die Entfernung zum Motiv ist.
Frühe Polaroid-Kameras wie die SX-70 Sonar Onestep von 1978 (andere Quellen datieren auf 1982) waren mit dem Ultraschallsystem ausgerüstet. Ein eindeutiges optisches Erkennungsmerkmal für Kameras mit Ultraschallautofokus ist der Schalltrichter an der Gehäusefront. Auf den Bildern der SX-70 (vielen Dank hierfür an Fabian Eduardo Osanai) ist deutlich zu sehen, dass der Lautsprecher einen nicht unbeträchtlichen Teil der Gehäusefront einnimmt. Für kompakte Kamerakonstruktionen ist das Ultraschallprinzip daher weniger geeignet.
Die Entfernungsmessung per Ultraschall hat sich im Laufe der Evolution bewährt, so jagen beispielsweise Fledermäuse dank Sonar-Navigation ihre Beute in hoher Präzision auch in absoluter Dunkelheit. In Kameras hingegen war der Ultraschall-Autofokus nicht ganz so erfolgreich wie in der freien Wildbahn.
Das Scharfstellen per Sonar konnte sich bei Fotoapparaten nicht durchsetzen. Zum einen waren die Systeme recht klobig und damit für kompakte Kameras nicht geeignet, zum anderen ließ die Genauigkeit der Entfernungsmessung stark zu wünschen übrig. Die Fokussierung durch Glasscheiben hindurch war nicht möglich, die Fokussierung von Spiegeln nur eingeschränkt möglich. Der Einsatz in Spiegelreflexsystemen - insbesondere mit Teleobjektiven - stand deswegen nie zur Debatte. Aus heutiger Sicht ist Ultraschall-Autofokus bei Kameras nur noch als historische Anekdote interessant.
Entfernungsmessung per Infrarot
Die Entfernungsmessung per Infrarotstrahl gibt es seit 1980, Canon führte sie in der Kompaktkamera Canon AF 35 M ein. Die Kamera sendet hierfür einen unsichtbaren Infrarot-Messstrahl aus, dieser wird vom Fotomotiv reflektiert. Aus dem Winkel, mit dem der reflektierte Infrarotstrahl wieder beim Kameragehäuse eintrifft, kann die Kamera die Entfernung zum Fotomotiv ermitteln.
Zwar kann man damit auch in völliger Dunkelheit fokussieren, aber die Reichweite der Infrarotstrahlen ist naturgemäß begrenzt. Einfache Schnappschusskameras verwenden auch heute gelegentlich noch aktive Autofokus-Systeme mit Infrarotstrahlen. Bei höherwertigen Modellen wird die Infrarotmessung allenfalls als Ergänzung zum passiven Autofokus eingesetzt.
Hologramm-Autofokus - Entfernungsmessung per Laser
In jedem Baumarkt gibt es heutzutage Entfernungsmesser, die zur Messung Laserstrahlen einsetzen. So erschien es folgerichtig, als im Jahre 2003 in diversen Presseveröffentlichungen mit der Sony Cybershot DSC-F828 eine Kamera mit "Laser-Autofokus" angekündigt wurde.
Hierbei handelte es sich aber um ein Missverständnis, denn die Kamera stellt keineswegs mit Hilfe eines Laserstrahls scharf. Das auch als Hologramm-Autofokus beworbene Feature ist vielmehr ein besonderes Autofokus-Hilfslicht. Ein derartiges Autofokus-Hilfslicht wird von allen großen Herstellern eingesetzt, das ist kein Alleinstellungsmerkmal von Sony. Mit Autofokus-Hilfslichtern strahlt die Kamera oder der Blitz ein dunkles Motiv an. Das Licht erhöht dann den Kontrast soweit, dass der passive Autofokus der Kamera scharfstellen kann. Dieses System setzen alle großen Hersteller (Canon, Nikon, Sony, Olympus, Pentax etc.) bei ihren Spiegelreflexkamerasystemen ein.
Um sich hiervon abzugrenzen verbaute Sony eine Zeitlang statt der üblichen LEDs/Glühlampen ein Lasermodul als AF-Hilfslicht. Das zugrundeliegende Autofokussystem ist aber auch bei Sony passiv, denn mit dem Laserstrahl wird nur der Motivkontrast erhöht, aber nicht die Entfernung gemessen. Somit handelt es sich weder bei den gängigen AF-Hilfslichtern noch bei den Lasersystemen der Sony-Kameras um echte aktive Autofokussysteme. Bei aktuellen Modellen setzt Sony den noch vor kurzem hochgelobten Hologramm-AF im Übrigen nicht mehr ein. Alles in allem ist der Hologramm-AF also eher ein Marketing-Gag als ein technischer Meilenstein gewesen.
Passiver Autofokus
Im Gegensatz zu aktiven Autofokussystemen misst die Kamera bei passiven Autofokussystemen nicht die Entfernung zum Motiv. Stattdessen kann die Kamera anhand des Motivkontrastes den korrekten Fokus erkennen. Dieses Verfahren setzt zum einen ein relativ lichtstarkes Objektiv zum andern ausreichendes Umgebungslicht voraus, sonst schlägt die Fokussierung fehl. Ist nicht genügend natürliches Umgebungslicht vorhanden, kann dies per AF-Hilfslicht ausgeglichen werden.
Um eine saubere Fokussierung zu gewährleisten sollten die Objektive mindestens Lichtstärke 1:5,6 aufweisen. Je lichtstärker das Objektiv ist desto besser ist dies für die Fokussierung. Für volle Funktionalität empfiehlt beispielsweise Canon bei seinem Top-Modell der EOS 1D MkIII eine Lichstärke von 1:2,8 oder höher.
Scharfstellen per Phasenvergleich
Die erste Kamera mit passivem Autofokus überhaupt war die Kompaktkamera C35-AF von Konica. Ältere Modelle der Konica C35 mussten noch manuell fokussiert werden, aber der von Honeywell entwickelte Visitronic-Autofokus der C35-AF nahm dem Benutzer diese Arbeit ab. Das neue Konzept basierte auf dem Phasenvergleich - gelegentlich auch als Phasenverschiebung, Phasenkontrast oder Phasendifferenz bezeichnet - und wurde vom Markt gut angenommen. Nach eigenen Angaben konnte Konica mehr als eine Million dieser Kameras verkaufen.
Um den Phasenvergleich durchzuführen, braucht man mindestens zwei versetzt angeordnete Sensoren, üblich ist es zwei bis vier Sensoren in einem Bauteil unterzubringen. Jeder dieser Sensoren erfasst das Motiv selbständig. Sind die erfassten Bilder deckungsgleich, stimmt der Fokus. Weichen die Bilder hingegen voneinander ab, muss nachfokussiert werden. Die Sensoren messen per TTL (Through-the-Lens) - also direkt durch das Fotoobjektiv hindurch. Das System funktioniert ähnlich einem optischen Entfernungsmesser und kann nicht nur erkennen, ob das Objektiv fehlfokussiert ist, sondern auch zu welchem Grade und mit welcher Fokusrichtung dies auszugleichen ist, um optimale Schärfe zu erzeugen.
Der Schärfepunkt kann also direkt angefahren werden, langsames Hin- und Herpumpen bis der Schärfepunkt gefunden ist, ist nicht erforderlich. Insbesondere für Spiegelreflexkameras mit ihren großen Verstellwegen bei Teleobjektiven ist das Phasenvergleichsverfahren prädestiniert. Die meisten modernen Spiegelreflexkamera setzen den Phasenvergleich zur Scharfstellung ein. Allerdings funktioniert der Phasenvergleich - zumindest bei herkömmlich konstruierten Kameramodellen - nur bei heruntergeklapptem Spiegel. Im Live-View Betrieb ist der Spiegel aber in der Regel hochgeklappt, daher steht der Phasenvergleich nicht zur Verfügung. Erste DSLR-Kameramodelle mit teildurchlässigen Spiegeln, die das Hochklappen des Spiegels überflüssig machen würden, sind seit dem Jahr 2011 auf dem Markt.
Die obige Grafik demonstriert die Funktionsweise des Autofokus eindeutig: Im normalen Betriebsmodus einer digitalen Spiegelreflexkamera trifft das vom Objektiv eingefangene Licht auf den Schwingspiegel und wird nach oben abgelenkt; dort gelangt es über ein Pentaprisma in den Sucher, in den das Auge hineinblickt. Da der Schwingspiegel einen kleinen Teil des einfallenden Lichts durchlässt gelangt diese Lichtmenge über einen Hilfsspiegel zu den im Kameraboden liegenden Autofokus-Sensoren, so dass eine Autofokussierung möglich ist. Im Live-View Modus der Kamera klappt der Schwingspiegel nach oben, so dass kein Licht über das Pentaprisma in den Sucher gelangt; das Licht trifft direkt auf den Bildsensor, so dass ein Bild auf dem LCD-Display der Kamera zu sehen ist. Durch das Hochklappen des Schwingspiegels gelangt auch kein Licht zu den Autofokussensoren im Kameraboden, so dass die übliche Autofokussierung nicht mehr funktioniert.
Der Phasenvergleichs-Autofokus ist sehr schnell, aber etwas weniger präzise als der Kontrast-Autofokus. Moderne Kamerasysteme setzen beide passiven Messverfahren gelegentlich kombiniert ein. Wenn man beispielsweise die Panasonic Lumix L10 mit dem Spiegelreflex-Sucher benutzt, fokussiert die Kamera über Phasenvergleich. Im Live-View Betrieb, wenn man das Vorschaubild über den Monitor betrachtet, schaltet die Kamera aber in den etwas genaueren, jedoch deutlich langsameren Kontrast-Autofokus um.
Die Sensoren können bei der Phasenverschiebung nicht nur erkennen, ob das Objektiv außerhalb der Fokusebene liegt, sondern auch wieweit und in welche Richtung das Objektiv für korrekte Schärfe fokussiert werden muss. Theoretisch müsste der Fokus beim Phasen-AF also im ersten Anlauf sofort korrekt sitzen. In der Praxis klappt das aber nicht immer, denn die Mechanik der Objektive hat ja auch ein gewissen Spiel.
Trotz Phasen-AF kann es also passieren, dass die Kamera mehrere Anläufe braucht bis die Schärfe richtig sitzt. Hierbei spielt natürlich die Kamera-Software (sogenannte Firmware) eine wesentliche Rolle, denn diese erhält die Signale der Autofokus-Sensoren und führt damit Korrekturberechnungen und neue Einstellungen für eine feinere Fokussierung durch.
Autofokus-Sensoren: Liniensensoren und Kreuzsensoren
Die Anzahl, Anordnung und Typ der Autofokus-Sensoren ist ein entscheidender Faktor für die Leistungsfähigkeit eines Autofokus-Systemes. Zuerst einmal muss man zwischen den Autofokus-Messfeldern und den Autofokus-Sensoren unterscheiden. Das Autofokus-Messfeld ist eine Markierung im Sucher anhand der man erkennen kann, wo der Autofokus-Sensor angeordnet ist. Die Abmessungen des Autofokus-Messfeldes entsprechen aber nicht unbedingt der tatsächlichen Größe des Sensors. In aller Regel ist der AF-Sensor ein gutes Stück größer als das dazugehörige AF-Messfeld im Sucher. Wie im vorigen Abschnitt beschrieben, werten AF-Sensoren das einfallende Licht aus, welches den teildurchlässigen Hauptspiegel passiert hat und über den Hilfsspiegel auf die Sensoroberfläche gelenkt wurde.
Bei den AF-Sensoren gibt es verschiedene Bauprinzipien. Das einfachste Bauprinzip ist ein Liniensensor. Die Autofokuskameras der ersten Generation (z.B. Minolta 7000, Nikon F-501) hatten nur einen einzigen AF-Sensor, und dieser war ein Liniensensor. Moderne Kameras haben meist eine Vielzahl von AF-Sensoren, womit sich die Genauigkeit der Scharfstellung natürlich erhöht. Liniensensoren können nur auf Strukturen scharfstellen, die senkrecht zu ihnen ausgerichtet sind. Eine Kamera wie die F-501 mit horizontal angeordnetem Liniensensor konnte also nicht auf horizontale Strukturen, wie beispielsweise eine Horizontlinie fokussieren. Das wäre nur mit einem vertikal angeordneten Liniensensor möglich gewesen, oder indem man ersatzweise die Kamera vom Querformat ins Hochformat dreht. Vertikal ausgerichtete Liniensensoren können hingegen nur auf horizontale und nicht auf senkrechte Strukturen scharfstellen. Das liest sich komplizierter als es tatsächlich ist, denn in der Praxis lassen sich die meisten Motive mit Liniensensoren gut scharfstellen.
Für optimale Leistung brauchte man jedoch etwas Besseres. Man kombinierte für ein Messfeld zwei Autofokus-Sensoren und erfand damit den Kreuzsensor. Der Kreuzsensor hat sowohl einen vertikalen als auch einen horizontalen Sensor, er kann somit sowohl auf waagerechte als auch auf senkrechte Strukturen scharfstellen. Dieses Konstruktionsprinzip ist jedoch aufwendig und entsprechend teuer in der Herstellung. Bei modernen Kameras mit einer Vielzahl von AF-Messfeldern kombiniert man daher meist Kreuzsensoren mit Liniensensoren, um die Kosten im Rahmen zu halten. Eine professionelle Kamera wie die Canon EOS-1D Mark IV hat beispielsweise insgesamt 45 AF-Sensoren, wovon immerhin 39 als Kreuzsensoren ausgelegt sind. Eine Einsteigerkamera wie die EOS 1000D muss sich hingegen mit 7 Sensoren begnügen, wovon nur einer als Kreuzsensor ausgelegt ist.
Liniensensoren können nur auf Strukturen scharf stellen, die senkrecht zum Sensor angeordnet sind. Kreuzsensoren können sowohl horizontale als auch vertikale Strukturen fokussieren.
Auch unter den Kreuzsensoren gibt wieder Unterschiede. Man unterscheidet hier zwischen normal- und hochempfindlichen Kreuzsensoren. Wenn die Kamera ein Objektiv mit hoher Lichtstärke erkennt, schaltet sie ein weiteres Messfeld im Kreuzsensor frei und erhöht damit die Empfindlichkeit der Messung. Mehr Infos zu diesem Thema gibt es im nächsten Abschnitt.
Die oben stehende Grafik demonstriert die Funktionsweise von Liniensensoren und Kreuzsensoren. Im oberen Bildteil sind vertikale Strukturen (dünne senkrechte schwarze Linien) dargestellt, auf die scharf gestellt werden soll. Der vertikale Liniensensor ganz links kann auf diese Vertikalstrukturen nicht fokussieren. Nur der horizontal liegende Liniensensor oder der Kreuzsensor kann diese Vertikalstrukturen scharf stellen. Im unteren Bildteil ist der entsprechende Sachverhalt für horizontale Strukturen dargestellt; hier versagt der horizontal liegende Liniensensor. Aus der Grafik ist auch erkennbar, dass das im Sucher angezeigte Messfeld kleiner bzw. anders geformt ist als die tatsächliche Abmessung des zugehörigen Autofokus-Sensors.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein gutes AF-System zum einen möglichst viele AF-Sensoren enthalten sollte. Je mehr Sensoren vorhanden sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kamera auch bei schwierigen Motiven korrekt fokussiert. Zum anderen sollten von diesen Sensoren möglichst viele als Kreuzsensoren ausgelegt sein. Bei den Kreuzsensoren sind wiederum hochempfindliche den normalempfindlichen Sensoren vorzuziehen.
Abhängigkeit des Autofokus von der Objektiv-Lichtstärke
Die Leistungsfähigkeit eines Autofokus-Systems hängt nicht nur von der Kamera, den Sensoren und der dazugehörigen elektronischen Steuerung ab, sondern vor allem auch von der Lichtmenge, die das Objektiv durchlassen kann. Generell kann man sagen, dass es für den Autofokus immer besser ist, wenn ein Objektiv eine große Blendenöffnung aufweist. Bei lichtschwachen Objektiven mit kleiner Blendenöffnung funktioniert der Autofokus nur eingeschränkt, in manchen Fällen sogar gar nicht mehr.
Als Beispiel zeigen wir hier anhand der Canon EOS 1Ds Mark II, wie das AF-System von der Lichtstärke der verwendeten Objektive abhängen kann. Es gilt im allgemeinen: Je lichtschwächer das Objektiv desto eingeschränkter arbeitet auch das AF-System. Bei lichtstarken Objektiven mit Lichtstärke 2,8 oder besser (z.B. das Canon EF 50mm 1:1.2L USM oder das Canon EF 200mm 1:2.8L II USM) fungieren bei der Canon EOS 1Ds Mark II sieben Sensoren als hochempfindliche Kreuzsensoren; die übrigen 38 Sensoren sind vertikal angeordnete Liniensensoren (siehe unten stehende Grafik links oben).
Bei Objektiven mit einer Lichtstärke im Bereich 2,8 bis 4 (zum Beispiel das Canon EF 17-40mm 1:4L USM) arbeitet nur noch der zentrale Autofokus-Sensor als Kreuzsensor und das auch nur noch mit normaler Empfindlichkeit; alle übrigen 44 Sensoren arbeiten nur noch als vertikale Liniensensoren (siehe nachfolgende Grafik rechts oben). Bei Objektiven, die eine Lichtstärke im Bereich 4,0 bis 5,6 haben, (zum Beispiel das EF 100-400mm 1:4.5-5.6L IS USM) gibt es überhaupt keinen Kreuzsensor mehr. Alle 45 AF-Sensoren arbeiten als vertikale Liniensensoren. Diese Situation ist in der nachfolgenden Grafik links unten dargestellt.
Bei lichtschwachen Objektiven mit einer Lichtstärke im Bereich 5,6 bis 8,0 ist nur noch ein einziger AF-Sensor aktiv. Dieser arbeitet als vertikaler Liniensensor; alle übrigen 44 Sensoren sind inaktiv (siehe nachfolgende Grafik rechts unten). Schließlich ist bei Objektiven, die weniger als Lichtstärke 8,0 haben, die automatische Scharfstellung überhaupt nicht mehr möglich; in diesem Fall muss man manuell fokussieren.
Bei der Canon EOS 1Ds Mark II handelt es sich um ein Kameramodell für Profi-Fotografen mit Top-Eigenschaften. Bei preisgünstigeren Kameras gilt die Licht-abhängige Autofokus-Funktionsweise entsprechend, allerdings sind die Grenzwerte niedriger. So kann es zum Beispiel sein, dass man bei Verwendung des hochwertigen Canon-Zoom-Objektives EF 100-400mm 1:4.5-5.6L IS USM bei einer Brennweite von 100mm und einer Lichtstärke von 4.5 noch einen Autofokus-Kreuzsenor zur Verfügung hat, während man bei 400mm Brennweite und einer Lichtstärke von 5.6 nur noch einen Liniensensor zur Scharfstellung zur Verfügung hat.
Im übrigen ist zu beachten, dass bei der Canon EOS 1Ds Mark II auch die Genauigkeit des Fokus von der Lichtstärke abhängt. Erst bei mit Objektiven der Anfangslichtstärke 2,8 kann die Kamera mit maximaler Präzision scharfstellen. Bei lichtschwächeren Objektiven nimmt die Fokusgenauigkeit etwas ab. Wer also sein AF-System optimal ausnutzen möchte kommt nicht umhin in möglichst lichtstarke Objektive zu investieren. Das bedeutet nicht nur eine erhebliche Belastung für den Geldbeutel sondern auch für den Fotografen selber. Denn lichtstarke Objektive sind nicht nur entsprechend teuer, sondern - vor allem bei Telebrennweiten - auch schwer und entsprechend umständlich zu transportieren.
Scharfstellen über den Motivkontrast
Die erste Kamera mit einem Kontrast-Autofokus war die ME-F, eine Spiegelreflexkamera, die Pentax schon 1981 auf den Markt brachte. Die Kamera war ein kommerzieller Flop, weil das Autofokussystem viel zu behäbig war, aber dennoch ein technologischer Meilenstein. Nur 10 Jahre nach ihrer Markteinführung sollten Autofokusmodelle bei Spiegelreflexkameras den Markt dominieren. Allerdings war die erste kommerziell erfolgreiche SLR-Kamera mit Autofokus die Minolta 7000, die 1985 erschien. Und Minolta setzte auf einen Phasenvergleich-AF.
Das Fokussieren über den Kontrast-Autofokus ist umständlich und dauert lange. Die Fokuseinstellung des Objektivs wird solange verändert, bis der Motivkontrast minimal ist. Vorteil gegenüber dem Phasenvergleich-Autofokus: Bei digitalen Spiegelreflexkameras wertet die Kamera die Bilddaten des Sensors aus, der Kontrast-Autofokus funktioniert also auch bei hochgeklapptem Schwingspiegel.
Zur Scharfstellung ermittelt der Autofokus den Detailkontrast in den Autofokus-Messfeldern. Wenn der höchste Kontrast erreicht ist, hat die Kamera den Fokuspunkt gefunden. In der Praxis wird das Objektiv beim Scharfstellen vor- und zurückfokussieren, bis es irgendwann den Fokuspunkt ermittelt hat. Videokameras und kompakte Digitalkameras setzen das Verfahren aus konstruktiven Gründen häufig ein. Im Live-View beziehungsweise Videobetrieb schalten auch moderne DSLR-Modelle wie die Nikon D90 auf Kontrast-Autofokus zurück und werden dadurch meist deutlich langsamer.
Einige Kamerahersteller schaffen es, trotz der Verwendung von Kontrast-Autofokus eine schnelle automatische Scharfstellung zu ermöglichen. Als Beispiel sei hier die Panasonic Lumix DMC-GH1 genannt, die sowohl im Sucher- als auch im Live-View-Betrieb auf Kontrast-AF setzt und nicht merklich langsamer ist als andere digitalen Spiegelreflexkameras mit Phasenvergleich-AF. Allerdings hat diese Kamera keinen echten optischen Sucher, das Sucherbild wird elektronisch erzeugt. Weil diese Kamera somit praktisch immer im Live-View Modus arbeitet, egal ob man Sucher oder Kameramonitor verwendet, war es auch nicht möglich, in der Lumix DMC-DH1 einen Phasenvergleich-AF zu implementieren.
Die Grenzen passiver Autofokussysteme
Passive Autofokussysteme beherrschen zumindest bei hochwertigen Spiegelreflexkameras den Markt komplett. Dennoch ermöglichen auch sie nicht in jedem Fall eine korrekte Fokussierung. Auf Motive mit geringem Kontrast - beispielsweise ein blauer Himmel oder eine weiße strukturlose Wand - können sie nicht scharfstellen. Die gleichen Probleme können bei extremem Gegenlicht oder starken Reflektionen auftreten. Hier hilft es nur, auf ein anderes Objekt mit mehr Kontrast scharfzustellen, welches sich in gleicher Entfernung zur Kamera befindet.
Ein anderes Kapitel sind Motive, die zwar ausreichend Kontrast aufweisen, wo es aber für den Autofokus schwierig zu erkennen ist, auf welches Detail denn nun scharfgestellt werden soll. Der Klassiker in diesem Bereich sind Aufnahmen im Zoo, wo der Autofokus je nach Situation mal auf die Käfigstäbe im Vordergrund mal auf das Tier im Gehege fokussiert. Hier muss der Benutzer eingreifen und die Kamera durch die manuelle Wahl des Autofokusfeldes unterstützen.
In der obigen Bilderserie haben wir mehrere Aufnahmen zusammengestellt, bei denen der Autofokus versagte bzw. an seine Grenzen kam. Solche Szenen treten beim Fotografieren tagtäglich auf; jeder kann sie mit seiner eigenen Kameraausrüstung leicht nachvollziehen.
Beleuchtung mit Autofokus-Hilfslicht
Allen passiven Autofokusvarianten ist gemein, dass sie mit Motivkontrasten arbeiten. Es muss also immer etwas Umgebungslicht vorhanden sein, bei völliger Dunkelheit klappt das Fokussieren nicht. Weil aktive Autofokussysteme sich aufgrund verschiedener Einschränkungen bei Spiegelreflexkameras nie etablieren konnte, haben findige Konstrukteure im AF-Hilfslicht einen praktikablen Ausweg aus dem Dilemma gefunden.
Wenn die Umgebung für ein passives AF-System nicht genug natürliches Licht zum Fokussieren hergibt, muss dies entweder von der Kamera oder vom verwendeten Blitzgerät kommen. Jede andere Lichtquelle wie beispielsweise eine Taschenlampe würden auch genügen. Das Autofokushilfslicht strahlt das Fotomotiv an, daraufhin findet der Autofokus genug Bildinformationen und kann tätig werden. Ein echtes Scharfstellen bei Dunkelheit ist das jedoch nicht, denn mit dem Hilfslicht wird ja sprichwörtlich Licht ins Dunkel gebracht.
Die Farbe dieser AF-Hilfslichter ist meist rot, grün oder weiß. In jedem Fall handelt es sich um sichtbares Licht. Unbemerktes Fokussieren ist damit meist nicht möglich. Das Fotomotiv wird bemerken, dass es angestrahlt wird. Ausnahmen sind die wenigen AF-Hilfslichter, die im Infrarotbereich strahlen. Diese sind für das menschliche Auge unsichtbar.
Schon in den 80er Jahren konnten Blitze wie der Nikon SB-24 bei Bedarf ein rotes Lichtgitter auf das Motiv projizieren. Die Kamera konnte dieses erkennen und dann automatisch fokussieren. Sony hat sehr viel später ein ähnliches Feature in seine Kameras integriert und vollmundig als Hologramm-AF beworben; teilweise stellten es die Medien auch als Laser-AF vor. Dabei handelt es aber trotz der flotten Namensgebung nur um ein AF-Hilfslicht, wenn auch mit einem Laser als Lichtquelle. Trotz Lasertechnik beträgt auch die Reichweite des AF-Hilfslichtes von Sony nur wenige Meter.
Moderne DSLR-Kameras haben in der Regel ein eigenes AF-Hilfslicht eingebaut und sind damit unabhängig vom Hilfslicht des Blitzes. Das Hilfslicht der Kamera ist oft schwach und erlaubt die Fokussierung nur im Nahbereich. Nikon gibt als maximale Reichweite bei seinen Kameras etwa 3 Meter an. Die Hilfslichter der Blitze sind etwas stärker. So reicht das Hilfslicht des Nikon SB-800 etwa 10 Meter. Für die Fokussierung bei größeren Distanzen zum Objekt eignen sich die gängigen Hilfslichter jedoch durch die Bank nicht. Mit Teleobjektiven stößt man daher trotz Hilfslicht im Dunkeln schnell an seine Grenzen.
Die Beschränkungen von aktiven Autofokussystemen wie beispielsweise die dürftige Reichweite gelten beim AF-Hilfslicht entsprechend. Trotzdem bleibt die zugrundeliegende AF-Technologie immer passiv, denn scharfgestellt wird mit Phasenvergleich- beziehungsweise Kontrast-Autofokus. Als Alternative beziehungsweise Ergänzung zu den AF-Hilfslichtern können Blitzsysteme wie beispielsweise moderne Canon eTTL-Blitzgeräte vor der eigentlichen Aufnahme eine Reihe von Messblitzen zünden. Diese kurzen stroboskopartigen Blitze mit niedriger Intensität helfen der Kamera ebenfalls im Dunkeln scharfzustellen. Wie die gängigen AF-Hilfslichter sind sie aber deutlich in der Dunkelheit zu sehen, was bei scheuen Motiven ein Nachteil ist.
Die beiden oben stehenden Bilder zeigen den Versuch, ein Stofftier in einem völlig dunklen Raum mit Blitz zu fotografieren. Da der Phasen- bzw. Kontrastautofokus nichts sieht kann auch keine Scharfstellung erfolgen. Im rechten Bild ist erkennbar, wie ein externes Blitzgerät ein rasterförmiges rot-gelbes Muster auf das Motiv strahlt; damit ist das Motiv erkennbar, und der Autofokus kann eine entsprechende Scharfstellung vornehmen.
Autofokus-Modi Schärfepriorität und Auslösepriorität
Die meisten Spiegelreflexkameras mit Autofokus erlauben dem Anwender die Auswahl zwischen verschiedenen Autofokus-Betriebsarten. Bei der Schärfepriorität - auch als AF-S oder One-Shot AF bezeichnet - fokussiert die Kamera beim Druck auf den Auslöser. Dieser Modus eignet sich besonders gut für statische Objekte; ausgelöst werden kann immer nur dann, wenn die Kamera den Fokussiervorgang erfolgreich beenden konnte. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass das Bild automatisch scharf sein wird. Der einmal gefundene Schärfepunkt wird nämliche auch dann beibehalten, wenn sich die Entfernung zum Fotomotiv nach der Fokussierung ändert. Erst beim erneuten Drücken auf den Auslöser wird ein neuer Fokussiervorgang gestartet.
Die Abkürzung AF-S ist im übrigen im Kamerabereich von Nikon aus unerfindlichen Gründen doppelt belegt. Zum einen bezeichnet Nikon damit den Autofokusmodus mit Schärfepriorität, zum anderen wird AF-S auch benutzt um die Nikon Objektive mit eingebautem Ultraschallmotor zu kennzeichnen. Das eine hat mit dem anderen nicht unbedingt etwas zu tun, denn AF-S Objektive kann man natürlich sowohl in der Betriebsart Schärfepriorität (AF-S) als auch mit kontinuierlicher Schärfenachführung (AF-C) betreiben.
Für sich permanent bewegende Objekte eignet sich aber der Autofokus mit Auslösepriorität und kontinuierlicher Schärfenachführung besser. Bei Nikon heißt der Modus AF-C, Canon bezeichnet die gleiche Funktion als AI Servo AF. Hier wird bei gedrücktem Auslöser permanent die Schärfe nachgeführt. Der Fotograf kann - anders als bei der Schärfepriorität - jederzeit auslösen. Die Schärfenachführung funktioniert per Prädikationsautofokus sogar dann, wenn der Spiegel hochklappt um die Aufnahme vorzubereiten.
In dem Sekundenbruchteil, der zwischen dem Auslösen der Aufnahme und dem Ablaufen des Verschlussvorhangs vergeht, kann sich die Position des Fotoobjektes weiter ändern. Anhand der vorher gewonnenen Messdaten versucht die Kamera vorauszusagen, wohin sich das Fotoobjekt in dieser Zeit bewegen wird und führt die Schärfe entsprechend weiter, auch wenn bei hochgeklapptem Schwingspiegel eigentlich keine Fokussierung mehr möglich ist. Weil das System hier mit Wahrscheinlichkeiten anstatt mit Messdaten arbeiten muss, ist bei prädiktivem Autofokus natürlich die Ausschussrate etwas höher als in anderen Betriebsarten.
AF-A ist strenggenommen kein eigener Autofokus-Modus, sondern nur eine Mischform aus AF-S und AF-C. Die Kamera analysiert die Bewegungen des Motivs hier selbstständig und stellt dann den benötigten Modus - also entweder AF-C oder AF-S - automatisch ein.
Sowohl bei Schärfe- als auch bei Auslösepriorität führt ein erneuter Druck auf den Auslöser zwangsläufig zu einem neuen Fokussiervorgang. Unabhängig von der Wahl des Autofokusmodus ist es also in der Standardeinstellung nicht möglich, eine einmal gefundene Fokuseinstellung für mehrere Aufnahmen zu verwenden. Dies ist eine separate Funktion, die sogenannte Schärfenspeicherung. Man bezeichnet sie auch als AF-L oder AF-Lock. In aller Regel ist sie als separater Drucktaster am Kameragehäuse realisiert.
Autofokus-Objektive - Der Antrieb entscheidet
Die Fokussierung übernimmt beim Autofokus ein Motor und nicht mehr der Benutzer wie bei der manuellen Fokussierung. Hierfür gibt es zwei verschiedene Konstruktionsarten. Minolta hat bei der Einführung der Minolta 7000 den Antrieb für den Autofokus in das Kameragehäuse gelegt. Wenn man ein Objektiv an die Kamera anflanscht, stellt eine Verbindung per Klauenkupplung die Kraftübertragung zwischen Objektiv und dem Fokusmotor der Kamera dar. Dieses Prinzip wird wegen der Kraftübertragung per Kupplung beziehungsweise über eine Welle auch leicht ironisch als Stangen-Autofokus bezeichnet.
Nikon setzte bei seinen ersten Kameras auf das gleiche Funktionsprinzip. Es hat den Vorteil, dass die Objektive relativ klein und leicht konstruiert werden können, denn abgesehen von ein paar Zahnrädern, der Kupplung und der Welle zur Kraftübertragung braucht man für ein AF-Objektiv keine weitere Vorkehrungen zu treffen. Auch ist die Konstruktion vergleichsweise billig, denn man braucht nur einen einzigen AF-Motor, nämlich den in der Kamera. Allerdings hat diese Konstruktion große Nachteile. Zum einen ist hier das Fokusgeräusch zu nennen. Die Kraftübertragung über die Kupplung ist deutlich hörbar. Zum anderen stößt dieses Prinzip bei sehr großen und schweren Objektiven wie beispielsweise großen Teleobjektiven an seine Grenzen. Der in die Kamera eingebaute Motor ist zu schwach um die langbrennweitigen Tele-Ungetüme, welche mehrere Kilogramm wiegen können, schnell zu fokussieren.
Ein manueller Eingriff in den Fokussiervorgang ist nur dann möglich, wenn man vorher die Kamera auf manuelle Fokussierung umstellt. Wer in die laufende Fokussierung eingreift und beispielsweise den Fokusring mit der Hand anhält, riskiert Schäden am Objektiv oder an der Kamera. Bei späteren Objektiven gibt es teilweise Rutschkupplungen, welche den Autofokusantrieb in diesem Fall schützen. Alles in allem ist der Stangen-AF aus heutiger Sicht zwar in den meisten Fällen durchaus brauchbar, aber sicher nicht die optimale Lösung.
Canon verbaute schon bei seinen ersten AF-Kameras den Fokusmotor nicht in der Kamera sondern direkt im Objektiv. Das machte die Konstruktion der Objektive aufwendiger und teurer; die Objektive waren etwas schwerer als die der Mitbewerber. Dieses Prinzip hat jedoch den unschätzbaren Vorteil, dass man für jedes Objektiv individuell einen passenden Motor auswählen kann. Selbst große Teleobjektive können - versehen mit einem entsprechenden Motor - damit sehr schnell fokussieren. Mit entsprechend hochwertigen Motoren - als Beispiel seien hier die Ultraschallantriebe von Canon genannt - erfolgt die Fokussierung nicht nur blitzschnell sondern auch beinahe lautlos. Außerdem kann der Fotograf jederzeit manuell in den Fokussiervorgang eingreifen ohne damit das Objektiv oder die Kamera zu beschädigen.
Aufgrund der beschriebenen Vorteile eines in die Kamera integrierten Antriebes haben Mitbewerber wie Nikon oder Pentax, welche ursprünglich voll auf den Stangen-AF gesetzt hatten, inzwischen auch Objektive mit integriertem Motor im Programm. Anfänglich waren es nur hochwertige Teleobjektive, aber inzwischen sind sogar viele Standardzooms mit dieser Technik ausgerüstet. Es ist davon auszugehen, dass der Antrieb der AF-Objektive per Kameramotor in Zukunft zugunsten der integrierten Motoren weiter zurückgehen wird, denn diese sind die technisch bessere Lösung.
Hersteller |
Bezeichnung für Ultraschallantrieb |
Canon |
USM (Ultra Sonic Motor) |
Nikon |
AF-S (Autofocus Silent Wave Motor) |
Olympus |
SWD (Supersonic Wave Drive) |
Pentax |
SDM (Supersonic Direct-drive Motor) |
Sony |
SSM (Supersonic-Wave Motor) |
Sigma |
HSM (Hyper Sonic Motor) |
Wie die nebenstehende Tabelle zeigt, haben inzwischen eine Reihe von Herstellern flüsterleise Motoren in ihren AF-Objektiven verbaut. Aus lizenz- und markenrechtlichen Gründen verwendet jeder Hersteller eigene Markenbezeichnungen, obwohl die Technologie grundsätzlich vergleichbar ist. Bei der Performance gibt es jedoch erhebliche Unterschiede, da die Güte der Antriebe nicht nur von Hersteller zu Hersteller, sondern auch zwischen verschiedenen Objektiv-Baureihen stark variieren kann. An der Pentax K7 fokussieren die sündhaft teuren SDM-Objektive beispielsweise nicht merklich schneller als die wesentlich günstigeren Stangen-AF Modelle aus gleichem Hause.
Manuelle Fokussierung vs. Autofokus
Als mit der Minolta 7000 die erste praxistaugliche SLR mit Autofokus auf den Markt kam, führte das zum sogenannten Sputnik-Schock der Fotoindustrie. Zur Erinnerung: 1957 brachten die Russen mit dem Sputnik-Satellit den ersten Satelliten in den Weltraum und zeigten der westlichen Welt damit schmerzhaft auf, dass diese im Gegensatz zum gerne gepflegten Selbstbild eben doch nicht in allen Bereichen die Technologieführerschaft für sich beanspruchen konnte.
Ein ähnlicher Coup gelang Minolta 1985 mit der Minolta 7000, die aus dem Stegreif zur meistverkauften SLR ihrer Zeit wurde. Anders als von vielen Industrievertretern behauptet war der Autofokus für anspruchsvolle Anwender und professionelle Fotografen ein wichtiges Feature. Etablierte Mitbewerber wie Canon und Nikon, die diese Entwicklung verschlafen hatten, standen auf einmal unter massivem Druck, entsprechende Konkurrenzmodelle möglichst zügig zu entwickeln. Es dauerte aber bei beiden rund drei Jahre bis sie den Entwicklungsvorsprung von Minolta auf diesem Gebiet aufholen konnten.
Traditionsfirmen wie Leica verweigerten sich der automatischen Fokussierung zumindest bei ihren hochwertigen Messsucherkameras und Spiegelreflexmodellen über Jahrzehnte. Das hauptsächliche Argument hierfür war, dass man mit der manuellen Fokussierung präziser arbeiten und die Schärfe gezielter setzen könne. Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass manuell zu fokussierende Kameras für den Massenmarkt keine große Rolle mehr spielen. Dennoch gibt es eine Reihe von Anwendungsgebieten, wo die manuelle Fokussierung immer noch ihre Berechtigung hat. Makroaufnahmen, Landschaftsaufnahmen, Nachtaufnahmen und die Astrofotografie sind klassische Anwendungsgebiete wo Fotografen vorwiegend manuell fokussieren.
Man kann für diesen Zweck praktisch jede handelsübliche Spiegelreflexkamera auf manuelle Fokussierung umschalten, allerdings gibt es bei modernen Autofokus-Kameras eine Reihe von Einschränkungen. Die erste Einschränkung ist das Sucherbild. Aktuelle DSLR-Kameras haben oft ein kleineres und dunkleres Sucherbild als ihre ausschließlich manuell zu fokussierenden Vorfahren. Das erschwert die Scharfstellung. Außerdem gibt es in modernen AF-Kameras keine dedizierten Fokussierhilfen wie Schnittbildindikator oder Prismenring mehr.
Alles in allem ist die manuelle Fokussierung mit aktuellen Kameras daher eher schwierig, zumal die Hersteller für diesen Zweck durch die Bank keine speziellen Sucherscheiben mit Fokussierhilfen zum Auswechseln anbieten. Entsprechende Sucherscheiben mit Fokussierhilfen gibt es nur bei Drittherstellern wie beispielsweise von Katzeye. Es kann hierdurch aber zu Einschränkungen bei der Funktion kommen, die sich beispielsweise in einer weniger akkuraten Belichtungsmessung äußert. Als Alternative zum Fokussieren über die Mattscheibe kann man aber auch die vergrößerte Live-View Vorschau bei einigen Kameras wie beispielsweise der Olympus E-30 nutzen. Dank mehrfacher Vergrößerung des Sucherbildes kann man per Live-View mit dieser Kamera sehr präzise manuell fokussieren. Die Fokussierung per Sucherlupe über Live-View ist zwar etwas umständlich, aber der Fokussierung über den Sucher in der Genauigkeit überlegen.
Eine weitere Einschränkung moderner Kameras: Die neuen Objektive sind inzwischen nur noch für möglichst schnellen Autofokus-Betrieb ausgelegt. Die exakte manuelle Fokussierung ist bei AF-Objektiven durch steilere Schneckengänge und weniger satte Passform schwieriger als mit MF-Objektiven. Daher sind immer noch Objektive mit manuellem Fokus erhältlich, die beispielsweise bei Nikon auch deutlich teurer sind als ihre AF-Pendants. Hersteller wie Carl Zeiss bauen hochwertige MF-Objektive mit passendem Bajonett für Pentax, Canon und Nikon-Kameras. Es gibt also trotz der unbestreitbaren Vorteile der automatischen Scharfstellung immer noch Bereiche, wo die manuelle Fokussierung ihre Vorteile und eine entsprechende Anhängerschaft hat.
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Autor: Sascha Steinhoff
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